Hochzeit im Dorf

11 Okt

Es ist ein ungewöhnlich heißer Herbsttag. Völlig erschöpft vom Schneiden der Hecke lasse ich mich auf das Bankerl vor unserem Küchenfenster plumpsen. Plötzlich bemerke ich, wie sich fesch herausgeputzte Dorfbewohner der Kirche nähern. Es ist doch Samstagnachmittag, und jeder hat Blumen mitgebracht, die feinsäuberlich in Silberpapier eingewickelt sind.

Eine Taufe kann es nicht sein, denke ich, das Baby vom Herrn Pfarrer ist noch nicht auf der Welt. Eine Hochzeit kann schon gar nicht sein. Hochzeiten gibt es keine mehr hier im Dorf, seit dem man einen schwarzen Pfarrer aus dem Kongo hier her verpflanzt hat. Ein schwarzer Pfarrer bringt Unglück, sagen die hiesigen Weinbauern, und tatsächlich: Alle Ehen, die dieser Geistliche gesegnet hat, sind binnen kürzester Zeit auseinander gegangen.

Ich erhebe mich von meiner Bank, um besser gesehen zu werden und frage einen Mann, den ich vom Heurigen her kenne: „Was ist denn jetzt in der Kirche los? Hat gar der ehrwürdige Herr Pfarrer Geburtstag oder hat seine Lieblingsnichte gerade ihr Kind bekommen?“
„Nein, es ist gleich eine Hochzeit, das Hochzeitspaar ist schon seit 25 Jahren standesamtlich verheiratet und so feiern sie die ‚Silberne‘ und gleich die ‚Kirchliche‘ in einem.“
Ich antworte so laut, dass es jeder verstehen kann: „Na diese Hochzeit geht wenigstens nicht mehr in Brüche, nachdem das Brautpaar schon 25 Jahre zusammen gelebt hat.“

Im selben Moment höre ich schon die Ebenthaler Blasmusik, die das Hochzeitspaar den Berg heraufbegleitet. Die Braut erscheint wie immer als letztes. Ich rechne nach: wenn sie früh geheiratet hat ist sie jetzt mindestens 45 Jahre alt. Sie ist überschlank, hier im Dorf sagt man „ohzaht“. Sie trägt falsche Korkzierlocken, die sie sich in ihr etwas schütteres Haar hat einflechten lassen. Die Kunstlocken glänzen in der Sonne und der frische Farbton hebt sich deutlich von den matten eigenen Haaren ab.
Angetan ist die Braut mit einem goldenen Kleid, welches ein Korsett um die Mitte zusammenhält. Sie schwitzt unter ihrem Bolero und hat ihn sicherlich nur für die Kirche übergezogen. Von Zeit zu Zeit hebt die Braut ihren bodenlangen Reifrock, um der unteren Hälfte ihres Körpers Frischluft zuzufächern.

Alle Gäste sind jetzt bereits am Kirchberg versammelt, nur weit und breit ist der Pfarrer nicht zu sehen. Ein Mann zündet sich eine Zigarette an und reicht sie der Braut, die sie an eine Freundin weitergibt. Ein andere Mann zaubert einen ungewöhnlich großen Flachmann aus der Brusttasche seiner Jacke, die er lässig über die Schulter geworfen hatte, weil es so heiß ist.
Der Flachmann geht in der zweiten Runde herum, der Pfarrer ist noch immer nicht da.

Der Bräutigam löst sich von der Gruppe und geht auf den meinem Garten nahe gelegenen Baum zu. Er schaut sich vorsichtig um, mich entdeckt er nicht. Jetzt nestelt er an seiner Hose herum und uriniert mit einem breiten Strahl. Herrje … der Zippverschluß hat sich verklemmt. Leider kann den der Bräutigam nicht selber richten, weil sein Bauch so dick ist, dass er nicht drüber hinweg schauen kann. Er ruft einen Freund, der sich vor ihm hinhockt und ihm so aus der Patsche hilft.

Endlich sehe ich das Auto des Herrn Pfarrer den Berg heraufrasen. Sein gewohnter Parkplatz ist von den Hochzeitsgästen verstellt. Er fährt weiter zum Hintereingang. Sehr mühsam wuchtet er seine 130 Kilo Lebendgewicht die paar Stufen hinauf. Jetzt erst muß er sich umziehen, das dauert auch seine Weile, dann den Messwein herrichten.
Die Gäste werden unruhig. Ich höre laute Bemerkungen: „Der Herr Pfarrer hat seine Uhr vergessen, oder hat er sie gar versetzt?“ oder: „Im Kongo gehen die Uhren anders“ oder “Hoffentlich richtet sich der Herr Pfarrer nicht nach der alten Zeitrechnung der Moslems“. Es ertönt schallendes Gelächter: “Na, Ramadan feiert der Herr Pfarrer nicht, weil er frisst Tag und Nacht“.

Endlich kommt der Pfarrer und segnet seien „Schäfchen“. Schweißtropfen glänzen auf dem schwarzen Kopf und glänzen in der prallen Sonne. Die eiligst heruntergenommenen Krawatten der Gäste bleiben in den Hosen oder Jackentaschen, weil es ist sowieso alles gleich aus und vorbei. Man blickt nach vorne und sehnt sich nach kühlem Wein, der beim Hochzeitsmahl serviert wird.

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